Veranstaltungsreihe «Chöpf us Nuglar-St.Pantaleon» von Nebelfrei
Schweizer Hilfe in Krisen, Konflikten und Katastrophen
Kurz vor Beginn der Sommerferien gab Martin Bölsterli aus Nuglar einen Einblick in seine Einsätze für das Schweizerische Korps für humanitäre Hilfe. Seine Reisen dienen den Menschen, die oft unter widrigsten Umständen ums Überleben kämpfen. Es klang eindrücklich: Von Kenia, Tansania und Uganda, über Griechenland, die Türkei und Marokko bis nach Haiti. In all diesen Ländern war Martin Bölsterli im Auftrag der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) bereits im Einsatz. Als Chef der Fachgruppe Bau im Korps für humanitäre Hilfe setzte er die Strategie des Bundes um, im Ausland schweizerisches Fachwissen zur Verfügung zu stellen, um in Notsituationen zu helfen.
Dauerprovisorische Zeltstädte
Was das bedeutet, zeigte Bölsterli anhand der Flüchtlingslager in Ostafrika auf. Anfängliche Zeltdörfer, die sich aufgrund der zahlreichen Konfliktherde in der Region über Jahrzehnte zu daurprovisorischen Städten mit über 100'000 Menschen entwickelt haben, müssen laufend weiter geplant und die nächsten Ausbauschritte koordiniert werden. Dazu gehören nicht nur die Wohnhäuser, sondern auch Wasser- und Abwasserleitungen, Krankenstationen und Spitäler sowie Schulen.
Der Architekt, der in seinem «normalen Leben» ein eigenes Büro in Zürich führt, hilft einerseits bei der Planung und Umsetzung. Andererseits organisiert er auch den Wissenstransfer, damit lokale Hilfsorganisationen und staatliche Akteure die Arbeit unabhängig weiterführen können.
Improvisationstalent gefragt
Was auf den ersten Blick nach Einsätzen unter einigermassen vorhersehbaren Bedingungen aussieht, wird dabei allzu oft von der Tagesaktualität überholt. Wie etwa in Uganda 2018, als im Zuge der wiederaufflammenden Konflikte im Nachbarland DR Kongo abseits der medialen Berichterstattung ganze Dörfer durch Gräueltaten vertrieben wurden. Mehrere Tausend Menschen flüchteten in Booten über den Lake Albert in ein bereits volles Lager für Geflüchtete. Bölsterli erinnerte sich: «Man sieht dann diese vielen traumatisierten Kinder, Frauen und Männer am Strand und weiss, dass man in den nächsten Tagen nichts anderes tun wird, als mitzuhelfen, sie unter einigermassen akzeptablen Bedingungen unterzubringen.» Dann entsteht wiederum ein neuer Teil des Lagers, anfangs noch aus Plastikplanen und Holzstecken. Später, im Laufe der Wochen und Monate, werden die Behausungen auch mit westlicher Hilfe solider gebaut. Allein Uganda bietet auf diese Weise derzeit 1.5 Millionen Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf, in den anderen Ländern Ostafrikas sind es noch einmal 2.4 Millionen – Menschen, die bei einer Verbesserung der Bedingungen ins Heimatland heimkehren. Bei ungünstigen Bedingungen bleiben sie oder ziehen weiter, auch nach Europa.
Ausgleich in der Schweiz
Wie die rund zwanzig interessierten Zuhörenden erfuhren, trat Bölsterli vor zehn Jahren in den Dienst der DEZA. Er absolvierte die interne Ausbildung mit mehrwöchigen Trainings und Selektionen. Seither leistet er jährlich einige Wochen einen Auslandeinsatz im Sold der DEZA. Als Vollzeitberuf habe er die humanitäre Arbeit nie angestrebt, obwohl die DEZA laufend Fachkräfte sucht: «Ich brauche den Ausgleich, das Leben und die Arbeiten hier in der wohlhabenden Schweiz, um nicht total vom Krisenmodus eingenommen zu werden.»
Evakuierung aus der Gefahrenzone
Erdbebensicheres Bauen ist ein weiteres Tätigkeitsfeld der Fachperson aus Nuglar. So war er diesen Frühling in Haiti, um ein langjähriges Projekt zu evaluieren, das zum Ziel hat, mit lokalen Materialien und traditioneller Handwerkskunst erdbebensicherer zu bauen. In neu etablierten Kursen vermitteln nun lokale Ausbildner eine Bauweise mit optimierter Statik. Eine grosse Herausforderung sei dabei, dass die Neuerungen auch von der Bevölkerung angenommen werden, so Bölsterli. «Das ist uns gelungen», wie er in seinem reich bebilderten Referat aufzeigte. Doch auch dieser Einsatz wurde von der Tagesaktualität überrollt. Als die Gewalt in der Hauptstadt Port-au-Prince eskalierte und der Flughafen plötzlich zur Kampfzone wurde, musste das gesamte DEZA-Team im Süden über die grüne Grenze evakuiert werden. «Das ist ein Teil der Ambivalenz der Humanitären Hilfe. Wenn es brenzlig wird, wird uns internationalen Mitarbeitern geholfen.» Für die lokale Belegschaft und die Einheimischen beginnt dann wiederum der nächste Überlebenskampf. «Dennoch», so Bölsterl, «bin ich überzeugt, dass die Schweizerische Humanitäre Hilfe einen kleinen, aber wichtige Beitrag zur Rettung von Menschenleben und der Verhinderung von Leid in fragilen Kontexten leistet.» Dies hat sein Referat eindrücklich gezeigt.
Andreas Kaufmann
Martin Bölsterli bei seinem Einsatz in der Türkei nach dem Erdbeben von 2023 (Bild: DEZA)
Uganda 2018: Plötzliche Fluchtbewegungen sind eine grosse Herausforderung für die humanitäre Hilfe. (Bild: DEZA)